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Entscheidungen treffen - Warum fällt uns dies manchmal so schwer?

Entscheidungen, so viele Entscheidungen! Täglich müssen wir uns für etwas entscheiden. Laut Schweppe und Long, haben Psychologen berichtet, dass wir täglich, um die 20.000 Entscheidungen treffen. Finden Sie dies übertrieben? Denken Sie über den heutigen Morgen und Ihre erste halbe Stunde, nach dem Aufwachen, nach. Wie sind Sie aus ihrem Bett gestiegen, über die rechte oder doch über die linke Seite? Haben Sie sich vielleicht geduscht oder auch nicht? Haben Sie vielleicht gefrühstückt? Wenn ja, was haben Sie denn gefrühstückt? Haben Sie sich für eine Tasse Kaffee oder Tee entschieden? Oder war es vielleicht doch eine Tasse Milch? Oder vielleicht, weder noch? Für welche Kleidung haben Sie sich beim Anziehen entschieden?

 

Sie sehen nun, wie viele Entscheidungen, Sie intuitiv und blitzschnell, innerhalb, von nur einer halben Stunde, bereits getroffen haben. Aber manchmal fallen uns Entscheidungen besonders schwer. Tagelang grübeln wir, über die, zur Auswahl stehenden Optionen und manchmal kann man keine Entscheidung fällen.

 

Besonders bei Themen und Bereichen, die für uns, von großer Wichtigkeit sind, verharren wir oft in einer Unentschlossenheit. Wir versuchen so, uns alle Optionen offen zu halten, bis wir herausgefunden haben, welche Wahl, die Beste für uns ist. Wir verweilen jedoch damit in einem Stillstand. Leben ist aber kein Stillstand, sondern ein Fluss.

 

„Wer die Wahl hat, hat die Qual“, heißt es im Volksmund und beschreibt, meiner Meinung nach, diesen unangenehmen Gefühlszustand, bei Unentschlossenheit, sehr gut. Aber warum „ticken“ wir so? Warum ist das Treffen von Entscheidungen manchmal so schwer? Im Folgenden will ich Ihnen einige Ursachen dafür nennen. 


1) Die Angst vor Reue

In der Psychologie wird die „Abneigung vor dem Bereuen“ beschrieben. Darunter versteht man die Angst, bei einer Entscheidungsfrage, unsere Wahl später bereuen zu können. Dies führt dazu, dass wir, besonders bei, aus unserer Sicht, wichtigen Entscheidungsfragen, länger in einer Entscheidungslosigkeit verharren. Das Problem ist, dass wir von uns erwarten, die beste Entscheidung für unsere Zukunft, die wir aber nicht kennen und nicht ganz beeinflussen können, zu treffen. Wir empfinden die Vorstellung, bewusst eine „schlechte Entscheidung“ getroffen zu haben, schlimmer, als die Vorstellung, sich für nichts entschieden zu haben.

 

Rolf Dobelli berichtet in seinem Buch „Klar denken, klug handeln“ über folgendes Gedanken-Experiment. Stellen Sie sich zwei Leute vor, A und B. Person A besitzt Aktien der Firma A und überlegt sich, ob er diese verkaufen soll, um in Aktien der Firma B zu investieren. Er tut es aber nicht. Person B besitzt Aktien der Firma B und entscheidet sich im Verlauf des Jahres dafür, diese zu verkaufen, um Aktien der Firma A zu kaufen. Nach einem Jahr stellt sich heraus, dass die Aktien der Firma B, um etwa 1200 Dollar an Wert, dazu gewonnen haben, während die Aktien der Firma A, in ihrem Wert, gleich geblieben sind. Nun wurden Versuchspersonen befragt, wer, ihrer Meinung nach, von den beiden Personen, mehr Reue fühle. Die überwiegende Mehrheit (92%) antworteten, dass dies bei der Person B zutrifft, obwohl eigentlich auch die Person A den gleichen Verlust, durch das nicht Kaufen der Aktien der Firma B, erlitt. Grund für dieses Ergebnis ist, dass sich Person B, aktiv für die schlechte Option entschieden hat, während Person A, sich passiv verhielt.

 

Die Angst vor Reue, aber auch unsere Risiko-Aversion (Versuch alle Risiken zu vermeiden), führt dazu, dass wir, bei schwierigen Situationen, eher zu rational-erklärbaren Entscheidungen neigen. Solche Entscheidungen können jedoch in einem deutlichen Widerspruch mit unseren wahren Wünschen und Absichten stehen. Dies wiederum kann zu Insuffizienz- und Trauer-Gefühlen, über die nicht mehr realisierbare Option, führen.

 

Wir spüren weniger Reue, wenn wir eine „schlechte Entscheidung“, als das Ergebnis von Zwang oder Schicksal sehen, als das Ergebnis unserer eigenen bewussten Handlung. Dies ist der Grund, dass wir manchmal, länger als nötig, eine Entscheidung aufschieben, in der „unbewussten Hoffnung“, dass uns diese Entscheidung, von jemanden anderen oder vom Schicksal, abgenommen wird.


2) Zu viele Alternativen

In der Psychologie ist das sogenannte „Auswahl-Paradoxon“ bekannt. Damit beschreibt man die Behinderung einer Entscheidungsfindung, durch die Existenz von zu vielen Alternativmöglichkeiten. Der Begriff beruht auf den Ergebnissen einer Studie von Iyengar und Lepper, aus dem Jahr 2000. Sie fanden nämlich, dass Konsumenten mehr Marmelade oder Schokolade kauften, wenn ihnen, weniger Sorten von Marmelade oder Schokolade angeboten wurden.

 

Der Versuch verlief auf folgende Weise: An einem Tag wurden in einem Supermarkt den Konsumenten 24 unterschiedliche Sorten an Marmelade, zum Probieren und zum Verkauf mit Rabatt, angeboten. Am folgenden Tag wurden den Konsumenten nur 6 Sorten Marmelade angeboten. Am zweiten Tag wurde zehnmal mehr Marmelade verkauft, als am ersten Tag. Wiederholungen des Experimentes mit anderen Produkten, lieferten ähnliche Ergebnisse.

 

Die Autoren kamen dadurch zu dem Schluß, dass eine große Auswahl an Optionen, zu einer inneren Lähmung bei den Konsumenten führte. Die Entscheidungsschwierigkeit dürfte außerdem, auf der höheren Wahrscheinlichkeit, eine „falsche Entscheidung“ zu treffen, beruhen. Denn statistisch gesehen, bei der Annahme, dass unter mehreren Optionen nur eine richtig ist, umso größer das Angebot an Auswahloptionen ist, desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit die „richtige Entscheidung“ zu treffen. Die „richtige Entscheidung“ bei mehreren, eventuell gleichwertigen Optionen zu finden, gestaltet sich schwierig und erfordert außerdem mehr Zeit. Dies liegt auch an der Zunahme unserer Unsicherheit, ob wir uns wirklich für die beste Wahl entschieden haben. Somit bedeutet mehr Auswahl-Optionen zu haben, mehr Stress. Außerdem ist das Risiko groß, dass wir uns, bei einer Vielzahl von möglichen Auswahl-Optionen, eher für gar keine der angebotenen Optionen entscheiden. 


3) Nicht wissen was man will

Es klingt logisch, dass man wissen sollte, was man will, damit man dies erreichen kann. Oft aber verharren wir vor Entscheidungen in einer Entscheidungslosigkeit. Dies kann auch daran liegen, dass wir gar nicht wissen, was wir wirklich haben wollen. Um dies für uns herauszufinden, ist es wichtig, dass wir, für uns selber, folgende Frage beantworten: „Was will ich?“. Hiermit kann man sich ein klares Ziel setzen und überprüfen mit welcher Wahl, man seine sich gesetzten Ziele erreichen kann.

 

Wie Rolf Dobelli in seinem Buch „Die Kunst des guten Lebens“ schreibt, sind Ziele wichtig. Bereits das Annähern von unseren Zielen/Wünschen, kann uns glücklicher machen, als das Verharren in einer Ziellosigkeit. Man muss jedoch darauf achten, dass man beim Definieren der eigenen Wünsche, nicht Ziele, welche von anderen genannt wurden, da vielleicht diese gerade gefragt sind, ohne darüber nachzudenken, übernimmt. Man soll auch darauf achten, dass man sich nicht in großen Fragen, wie dem Sinn des Lebens per se, verliert. Man soll sich, wie Dobelli schreibt, auf den „kleinen Sinn“ des Lebens, nämlich auf die persönlichen Ziele, auf die Ambitionen, auf die eigene Mission in diesem Leben, konzentrieren.

 

Es ist menschlich etwas, ohne Mühen, oder „Kosten“, haben zu wollen. Wir wissen jedoch, dass dies unrealistisch ist. Wie Autor Mark Manson in seinem Blog schreibt, Glück erfordert Mühen. Er argumentiert, dass unsere Bedürfnisse als Menschen, grundsätzlich gleich sind, aber wir mit negativen Erfahrungen, unterschiedlich umgehen. Deswegen ist, für die Setzung von Zielen und deren Erreichen, die Frage: „Welchen Schmerz will ich auf mich dafür nehmen?“ wichtiger, als die Frage „Was will ich genießen?“, zu beantworten. Durch das Erlangen des Bewusstseins, dass man Glück, nur durch Mühen, erreichen kann, und die Akzeptanz, der damit verbundenen Mühen, kann man seinem Glück habhaft werden.

 

Jede Entscheidung ist ein Scheideweg. Wenn man sich nicht entscheidet, bleibt man stehen. Dies kann so weit gehen, dass man, aufgrund der Entscheidungslosigkeit, irgendwann, die freie Wahl bewusst/unbewusst an Dritte delegiert. Jede getroffene Entscheidung bedeutet Verzicht. Umso leichter kann man damit umgehen, umso konkreter wir ein Ziel für uns definiert haben, unabhängig davon, wie groß dieses Ziel ist .


Als Abschluss zu diesem Blog, will ich euch eine Geschichte, aus dem Buch von Schweppe und Long „Füttere den weißen Wolf“, wo es um Entscheidungen geht, nacherzählen. Die Geschichte stammt ursprünglich aus Arabien und geht wie folgt. 

Die Geschichte des Kamelhirten

Vor langer Zeit, lebte in einem fernen und doch so nahen Land, ein Mann. Er verdiente sein Brot, indem er, als Kamelhirte arbeitete. Obwohl er fleißig bei seiner Arbeit war, gelang es ihm nicht, dass er es in seinem Leben zu etwas brachte.

 

Eines Nachts erschien ihm im Traum ein Djinn. Nachdem der Kamelhirte seine Überraschung überwand, grüßte er den Djinn ehrfürchtig. Der Djinn gab an, dass er, über die Sorgen des Mannes, Bescheid wusste. Er versprach ihm zu helfen, aber nur, wenn er mutig genug sei. Der Kamelhirte gab an, dass er mutig sein wolle und die Hilfe des Djinns gerne annehmen würde. Daraufhin brachte ihn der Djinn zu einem Zauberberg.

 

„Hier lebe ich!“, sprach der Djinn zu ihm. „Hier bewahre ich auch meine größten Schätze auf!“, sagte der Djinn, als er und der Mann vor einem großen Tor, das in das Berginnere führte, stehen blieben. „Tritt ein und wähle!“, forderte ihn der Djinn auf.

 

Der Kamelhirte ging voller Erwartung durch das Tor und der Djinn folgte ihm. Der Mann kam in eine Kammer, wo in der Mitte, auf einem kleinen Felspodest, ein großes Schwert lag. „Dies ist das „unbesiegbare Schwert“!“, sprach der Djinn. „Wenn Du dieses Schwert wählst, wirst Du ein großer Krieger werden. Du wirst jeden Kampf gewinnen und Dein Name wird noch in hunderten von Jahren bekannt sein. Nun kannst Du wählen: dieses Schwert zu nehmen, oder in die nächste Kammer zu gehen.“

 

Der Kamelhirte schaute auf das Schwert und überlegte kurz. „Das Schwert ist ein feines Geschenk. So etwas hatte ich bis jetzt noch nie erhalten“, dachte er, „aber vielleicht kommt noch etwas Besseres.“ Dann machte er ein paar Schritte und betrat den nächsten Raum.

 

In der zweiten Kammer befand sich ein ähnlicher Felspodest, wie in der ersten Kammer. Auf dem Podest lag jedoch ein Buch. „Dies ist das „Buch der Weisheit“!“, sprach der Djinn. „Wenn Du dieses Buch wählst, wirst Du die Antwort auf alle Geheimnisse des Himmels und der Erde kennen. Du wirst einer der großen Weisen werden. Nicht nur in Deinen Lebzeiten, aber auch Generationen, nach Deinem Ableben, in Tausenden von Jahren, wird Dein Name bekannt sein. Du kannst aber auch zur nächsten Kammer weiter gehen.“

 

„Nun, wähle!“, forderte der Djinn den Mann auf. Der Mann schaute auf das Buch. „Weisheit ist wertvoll und besser als das Kriegsglück. Aber vielleicht ist in der nächsten Kammer noch etwas Wertvolleres“, dachte er. Und so ließ er das Buch auf dem Podest liegen und trat in die nächste Kammer ein.

 

Die dritte Kammer barg in ihrer Mitte ein kleines Kästchen. „Dies“, sprach der Djinn, „ist das „glückbringende Kleinod“. Wenn Du dies wählst, wirst Du Dein Leben lang glücklich und zufrieden sein. Man wird sich nicht an Deinen Namen in Tausenden von Jahren erinnern, aber Du wirst Freude in die Herzen aller Menschen bringen, welchen Du begegnest, da Du selbst die Freude in Dir tragen wirst. Nun entscheide Dich!“, forderte der Djinn ihn auf. “Nimm dieses Kästchen, oder tritt durch die nächste Tür!“.

 

„Was für ein wunderbares Kästchen!“, dachte der Kamelhirte. „Glücklich sein Leben lang zu sein ist sicher etwas Wunderbares. Aber da ist noch eine Tür und vielleicht kommt noch etwas Besseres, als das!“ So dachte er und schritt durch die Tür.

 

Erstaunt fand sich der Kamelhirte nun in seiner einfachen und ärmlichen Behausung wieder. Verschwunden waren der Djinn und der Berg. Verloren waren nun die angebotenen Geschenke. Und so blieb der Kamelhirte arm und trotz seines Fleißes, konnte er seine Situation nie bessern.

 

So geht es allen Menschen, die nicht wissen, was sie wollen. Wenn ihnen auch die größten Schätze angeboten werden, sind ihnen diese nicht genug, und so stehen sie am Ende dort, wo sie nun einmal stehen, ohne jeden Schatz und ohne einen Fortschritt.


Quellen:

Dobelli Rolf. „Das Auswahl-Paradox – Warum mehr weniger ist“. Aus dem e-Book „Klar denken, klug handeln“, Carl Hanser Verlag München, 2011/2012, S85-87.

Dobelli Rolf. „Die Angst vor Reue – Warum die „Letzte Chance“ Ihren Kopf verdreht“. Aus dem e-Book „Klar denken, klug handeln“, Carl Hanser Verlag München, 2011/2012, S341-344.

Dobelli Rolf. „Der kleine Sinn des Lebens – Welche Ziele Sie erreichen können – und welche nicht“. Aus dem e-Book „Die Kunst des guten Lebens“, Piper Verlag GmbH, München, 2017, S123-128.

Iyengar Sheena und Lepper Mark (2000). When choice is demotivating: Can one desire too much of a good thing? Journal of Personality and Social Psychology, 79, 995-1006

https://faculty.washington.edu/jdb/345/345%20Articles/Iyengar%20%26%20Lepper%20(2000).pdf

(zuletzt aufgerufen am 15.10.2018)

Manson Mark (2013) The most important question of your life. Aus dem Blog von Mark Manson.

https://markmanson.net/question (zuletzt aufgerufen am 15.10.2018)

Schweppe Ronald und Long Aljoscha. „Der Wunsch“ Aus dem Buch „Füttere den weißen Wolf – Weisheitsgeschichten, die glücklich machen“, Kösel-Verlag, 2. Auflage, München, S170-175.

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