PIU: Problematic Internet Use - eine neue Krankheit?

In den letzten Jahrzehnten kam es im Bereich der elektronischen Datenverarbeitungsanlagen zu einer rapiden Weiterentwicklung. Dies konnte speziell, durch die Erhöhung der Leistungsfähigkeiten der Computer, erreicht werden. Diese Veränderung wird deutlich, wenn man die Leistungs-Daten eines, aktuell im Verkauf angebotenen, durchschnittlichen Heim-Computers, mit der Leistung von ehemaligen hochspezialisierten Computern, vergleicht. So waren die Leistungsdaten des Navigations-Computers von Apollo 11 (1969), folgende: Arbeitsspeicher: 4 KB; Speicherkapazität: 74 KB; Taktfrequenz: 1024 MHz; Gewicht: 30kg.

 

Diese Entwicklung erlaubte auch die kontinuierliche Verbreitung der Internet-Nutzung. Aktuelle Mobiltelefone erlauben dem Anwender rasch auf Internet-Inhalte und internet-basierte Applikationen Zugriff zu bekommen. Somit ist die Nutzung vom Internet, derzeit fast allgegenwärtig vorhanden. Dies hat zu einer Veränderung in allen Lebensbereichen geführt (Schule, Arbeit, Beziehungen, Freizeit).

 

Immer häufiger wird in der psychiatrischen/psychologischen Literatur, nun auch über einen pathologischen Umgang mit dem Internet berichtet. Bereits 1995, schlug Goldberg den Begriff „Pathologischer Internet-Gebrauch“, vor. Seit diesem Zeitpunkt wurden auch weitere Begriffe, wie „Internet-Sucht“ oder „Internet-Abhängigkeit“, vorgeschlagen. Bis heute wird jedoch der problematische Internet-Gebrauch, nicht als eigene Krankheit anerkannt. Studien belegen jedoch, dass oft psychiatrische Erkrankungen bei Personen mit PIU, vorliegen.


Symptome eines PIU

Obwohl noch keine Einigung, bezüglich der Symptome, welche auf einem PIU hinweisen, herrscht, sollen hier die vorgeschlagenen Kriterien von Tao und Mitarbeiter, 2010, als Richtwert dargestellt werden.

 

Bei Personen mit PIU, soll eine ständige Beschäftigung mit dem Internet, wenn sie offline sind (z.B. nachdenken über bereits stattgefundene „Sessions“, oder nicht erwarten können, erneut in eine „Session“ zu gehen), bestehen und zusätzlich „Entzugssymptome“, wie Dysphorie, Angst, Irritabilität, oder Langeweile, wenn er längere Zeit offline ist, vorkommen.

 

Zusätzlich zu diesen zwei „Grundsymptomen“, sollte mindestens eines der folgenden Symptome vorkommen:

1) Toleranz-Entwicklung, definiert als immer weiter steigernder Internet-Gebrauch, um dieselbe Zufriedenheit, wie früher, bei geringerem Gebrauch, erzeugen zu können;

 

2) Permanenter Wunsch oder nicht erfolgreiche Versuche, den Internet-Gebrauch kontrollieren, oder reduzieren, bzw. abbrechen zu können;

 

3) Weiterer Internet-Gebrauch, trotz Vorkommens von physischer oder psychischer Verschlechterung, welche mit der intensiven Nutzung des Internets zusammenhängt;

 

4) Verlust von früheren Interessen auf Hobbies und auf andere lusterzeugende Unternehmungen;

 

5) Gebrauch des Internets als Eskapismus, oder zur Reduktion einer dysphorischen Stimmungslage.

 

Tao und Mitarbeiter, geben auch ein Zeitkriterium vor, nämlich einen intensiven Internet-Gebrauch von mehr als 3 Monaten, mit mindestens 6 Stunden täglicher, nicht geschäftlicher, Nutzung vom Internet. Um PIU zu attestieren, sollten jedoch keine weiteren Erkrankungen, welche die pathologische Nutzung erklären würden, vorliegen und es soll zu einer deutlichen funktionellen Beeinträchtigung (beruflich, akademisch, privat) bei dem Betroffenen führen.


Häufigkeit von PIU

Aufgrund des Vorliegens von unterschiedlichen Definitionen von PIU, liefern die Studien zur Thematik, unterschiedliche Zahlen zum Vorkommen (Prävalenz) dieses Phänomens. Somit berichteten Petersen und Mitarbeiter, 2009, über eine weltweite Prävalenz von 1,5 bis 8,2%. Andere Forscher berichteten sowohl über höhere, aber auch über niedrigere Häufigkeits-Raten.

 

Unterschiede in der Häufigkeit von PIU, können auch länderspezifisch sein, nachdem Studien in unterschiedlichen Länderpopulationen, unterschiedliche Häufigkeiten aufzeigten. So berichteten z.B. Rumpf und Mitarbeiter, 2014 und Bakken und Mitarbeiter, 2009, in einer deutschen bzw. norwegischen Studienpopulation von einer Häufigkeit von PIU von 1%, während Niemz und Mitarbeiter, 2005, über eine Häufigkeit von PIU von 18,3% bei englischen College-Studenten in Großbritannien, berichtete.

 

Die bis jetzt durchgeführten Studien zeigten, dass PIU oft gleichzeitig mit dem Vorhandensein von weiteren psychologischen/psychiatrischen Symptomen vorkommt. In manchen Fällen könnten psychiatrische Erkrankungen eventuell auch dieses pathologische Verhalten erklären. Es soll jedoch darauf hingewiesen werden, dass aufgrund der unterschiedlichen Definition für PIU und des eher als Regel stattfindenden Gebrauchs von Selbstbeurteilungsbögen, anstatt von klinisch diagnostischen Interviews, die Qualität der Studien-Daten, hinsichtlich zusätzlich bestehenden (komorbiden) psychiatrischen Erkrankungen, nicht robust genug ist.


Therapie-Optionen bei PIU

Als mögliche Therapieoptionen für PIU, wurden, laut Weinstein und Aboujaoude, 2015, unter anderem, im Rahmen von Studien, folgende getestet und empfohlen:

1) Kognitive Verhaltenstherapie;

 

2) Selektive-Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (dies ist eine spezifische Medikamenten-Klasse von Antidepressiva);

 

3) Retardiertes Methylphenidat, bei Personen mit gleichzeitig bestehender Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitäts-Störung (ADHS).

 

Als eine mögliche weitere Option scheint die Entwicklung eines Algorithmus, welcher einen pathologischen Gebrauch früh erkennt und Sicherheitsmaßnahmen, ähnlich, wie bei einem Kinderschutzprogramm, anwendet, wie z.B. den Gebrauch vom Internet für eine gewisse Zeit zu unterbrechen, zu sein. Zusätzlich könnte man, im Rahmen dessen, dem Nutzer auch Alternativ-Vorschläge zum Internet-Gebrauch präsentieren.


Eine weitere Erforschung von PIU (Häufigkeit, Ursachen, Symptome, Therapie) ist notwendig, um eventuell zukünftig dieses, bereits beschriebene, aber nicht einheitlich definierte, Phänomen, als eine eigenständige Erkrankung anzuerkennen. 


Quellen:

  • Bakken I.J., Wenzel H.G., Götestam K.G. (2009) Internet addiction among Norwegian adults: a stratified probability sample study. Scandinavian Journal of Psychology 50: 121-127.
  •  Höller J., Steininger-Kaar K. (2017) IT-Management I- Präsentation vo(n)m 07.10.2017.
  •  Lehenbauer M. (2009) Problematischer Internetgebrauch und Sozialphobie: Internetspezifische maladaptive Kognitionen. In Gesundheit und neue Medien. Hrsg. Stetina B. und Kryspin-Exner I. Springer Verlag, Wien, New York, 2009.
  •  Niemz K., Griffiths M., Banyard P. (2005) Prevalence of pathological internet use among university students and correlations with self-esteem, the General Health Questionnaire (GHQ) and disinhibition. Cyberpsychology and Behavior 8: 562-570.
  •  Petersen K.U., Weymann N., Shelb Y., et al. (2009) Pathologischer Internetgebrauch – Epidemiologie, Diagnostik, komorbide Störungen und Behandlungsansätze. Fortschritte der Neurologie Psychiatrie 77: 263-271.
  •  Rumpf H.J., Vermulst A.A., Bischof A., et al. (2014) Occurence of Internet addiction in a general population sample: a latent class analysis. European Addiction Research 20: 159-166.
  •  Tao R., Huang X., Wang J., et al. (2010) Proposed diagnostic criteria for Internet addiction. Addiction 105: 556-56.
  • Weinstein A. und Aboujaoude E. (2015) Problematic internet use – An overview. In Mental Health in the digital age. Eds. Aboujaoude E. und Starcevic V. Oxford University Press, 2015.

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