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Macht eine Serotonin-Bestimmung im Blut Sinn?

Mehrere Patienten wissen mittlerweile, dass man Serotonin im Blut messen kann und dass Serotonin, bei der Entstehung von Depressionen, eine Rolle spielen kann. Viele Patienten erwarten deshalb, dass es zwischen ihrem Serotonin-Wert im Blut und dem Schweregrad ihrer Depression, einen Zusammenhang gibt. Ist dies aber wirklich so? Macht denn eine Bestimmung des Serotonin-Wertes im Blut, deswegen Sinn? In diesem Blog will ich diese Fragen beantworten.


Serotonin-Hypothese und SSRI

Vielen Menschen ist die, vor mittlerweile ca. 50 Jahren gestellte, „Serotonin-Hypothese“, bekannt. Diese Hypothese behauptete, dass ein kausaler Zusammenhang, zwischen der Entstehung von Depression und einer verminderten Aktivität bei der serotonergen Neurotransmission, sprich der Serotonin-basierten Übertragung von Informationen, zwischen den Nervenzellen im Gehirn, bestehe. Mittlerweile aber wird eher von einer multifaktoriellen Ätiologie der Depression ausgegangen und Erklärungsansätze, welche ausschließlich von biologischen, psychologischen oder sozialen Faktoren ausgehen, werden als obsolet gesehen. Dies bedeutet, dass, obwohl Störungen bei der Neurotransmission und neurohormonalen Regulation (u.a. auch von Serotonin), bei der Auslösung einer Depression beteiligt sein können, diese aber nicht ausschließlich dafür verantwortlich sind.

 

Bei der Behandlung von Depressionen, empfiehlt man heutzutage die Kombination einer medikamentösen Therapie mit Psychotherapie, da diese sich, als die effektivste Behandlung dieser Erkrankung gezeigt haben. Häufig werden Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), als medikamentöse Therapie, bei depressiven Patienten, eingesetzt. Diese Medikamente beeinflussen, im Vergleich zu früher entdeckten Antidepressiva (Trizyklika), spezifisch nur die serotonerge Neurotransmission, indem sie die Wiederaufnahme, des von der Nervenzelle bereits ausgeschüttetem Serotonin, verhindern.

 


Serotonin im menschlichen Organismus

Serotonin ist ein Hormon und Neurotransmitter. Außer bei der Signalübertragung im Zentralnervensystem, hat Serotonin auch Einfluss auf das Herz-Kreislauf-System, sowie auf den Magen-Darm-Trakt. Weiters kann Serotonin die Blutgerinnung beeinflussen. Obwohl viele denken, dass Serotonin, sich hauptsächlich im Gehirn befindet, verhält es sich beim Menschen eigentlich anders. Beim Menschen befindet sich die größte Menge an Serotonin, nämlich 95%, im Magen-Darm-Trakt. Im Gehirn hingegen befinden sich nur 5% des Gesamt-Serotonins.


Serotonin Bestimmung im Blut

Serotonin kann man im Serum bestimmen. Dies führt bei vielen Patienten zu der Annahme, dass man dadurch seine „Depression“ bemessen könnte. Dies ist aber leider nicht der Fall, da die Depression eine, wie oben erklärt, multifaktorielle Erkrankung ist und nicht nur auf einem möglichen Serotoninmangel basiert.

 

Im Serum wird eigentlich die Menge an Serotonin gemessen, welche von einer bestimmten Art von Zellen des Magen-Darm-Traktes produziert wurde (den enterochromaffinen Zellen) und in das Blut abgegeben wurde. Im Blut findet sich der Großteil von Serotonin, 90% des gesamten Serotonins im Blut, in den Thrombozyten, eine bestimmte Zellenart des menschlichen Blutes, welche ein sehr effektives Aufnahmesystem für Serotonin aufweisen.

Die Bestimmung des Serotonin-Wertes, wird medizinisch bei Verdacht auf einen Karzinoid-Tumor, angeordnet. Meistens wird gleichzeitig auch eine Hydroxyindolessigsäure (HIES) Bestimmung im Harn, angeordnet. Denn überschüssiges Serotonin, welches von den Thrombozyten nicht aufgenommen wurde, wird zu HIES metabolisiert und über die Niere ausgeschieden. Ein erhöhter Serotonin-Wert, wird als Hinweis auf einen Karzinoid-Tumor, gesehen. Andererseits schließt ein normaler Serotonin-Wert, das Vorkommen eines möglichen Karzinoid-Tumors, nicht aus.

 

Karzinoide, sind Tumore des neuroendokrinen Systems. Diese können übermäßig Serotonin, sowie andere hormonartige Stoffe, produzieren, welche zum typischen Karzinoid-Syndrom, führen. Das häufigste und am ehesten auftretende Symptom, ist eine „Flush-Symptomatik“ (plötzliche rote bis violette, bis zu lila Verfärbung von Gesicht-, Hals, und manchmal des Oberkörper-Bereiches). Zusätzlich können Bauchkrämpfe, Durchfall, Keuchatmung und Kurzatmigkeit, sowie Anschwellen der Füße und Arme, als Folge einer Herzschädigung, vorkommen.

 


Ein erhöhter Serotonin-Wert im Blut, wird als Hinweis auf einen Karzinoid-Tumor, gesehen. Ein niedriger Serotonin-Wert, habe jedoch derzeit klinisch keine Bedeutung. 


Ein niedriger Serotonin-Wert, habe jedoch derzeit klinisch keine Bedeutung. Außerdem kann man den Serotonin-Wert nicht zur Beurteilung des Schweregrades einer Depression nutzen. Deswegen wird derzeit in keiner aktuellen medizinischen Leitlinie zur Behandlung der Depression, diese Untersuchung empfohlen.

 

In der Forschung sucht man jedoch weiterhin nach möglichen Biomarkern, welche beim Vorliegen einer Depression vorkommen und zur Diagnostizierung einer Depression helfen können. Biomarker sind biologische Merkmale, welche objektiv gemessen werden können und auf eine Unterscheidung zwischen einem normalen und krankhaften biologischen Prozess, hinweisen. Biomarker können Gene, Zellen, aber auch Enzyme, oder Hormone sein. Die Messung dieser Biomarker, könnte dann zukünftig über eine Blutabnahme erfolgen.  


Fazit

Depressionen werden derzeit klinisch, anhand des Selbstberichtes des Betroffenen, über die vorliegende Symptomatik und den Vergleich dieser, mit den derzeit dafür gültigen Diagnose-Kriterien diagnostiziert. Frühere Annahmen, dass Depressionen nur auf einem Serotonin-Mangel beruhen, werden heutzutage als nicht richtig gesehen. Es wird eher von einer multifaktoriellen Ätiologie der Depression, ausgegangen. Seronin-Bestimmung im Blut, habe bei der Diagnose-Stellung der Depression, bzw. bei der Beurteilung des Verlaufes der depressiven Erkrankung, derzeit keine Bedeutung. Dies schließt jedoch nicht aus, dass in der Zukunft, die Bestimmung von möglichen Biomarkern, für das Vorliegen einer Depression, über eine Blutabnahme erfolgen wird. 


Literatur:

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